13228 FRANZ
LISZT TRANSCRIPTIONS OF FRANZ SCHUBERT SONGS - NIKOLAUS
LAHUSEN (.pdf)
Sehnsüchtig und traumverloren
Poet, Virtuose, Maler: Es wäre sicher zu simpel, würde man die Dreiteilung
des Klavierabends, den Nikolaus Lahusen zugunsten der Bremer Krebsgesellschaft
so klassifizieren. Denn Schuberts nachgelassene Klavierstücke, obwohl
doch vorwiegend von poetischen Klängen geprägt, wären ohne virtuoses
Können und malerische Gestaltungskraft ebenso wenig zu kennzeichnen
wie anderseits Liszts Transkriptionen einiger Schubert-Lieder und erst
recht Mussorgskys "Bilder einer Ausstellung" der "malenden
Poesie" bedürfen. Doch Lahusen, gegenwärtig wohl der einzige Bremer
Pianist mit internationalem Renommee, verfügt im hohen Maße über die
künstlerische Fähigkeiten, enormen technischen Standard, intellektuelles
und emotionales Durchdringen der Werke wie schließlich die Farbenvielfalt
des Anschlags so zu verschmelzen, um fesselnde, stark anrührende Interpretationen
anbieten zu können.
Zu Franz Schubert hat Lahusen seit seiner Darbietung von dessen Klavierwerken
auf dem Hammerflügel eine besonders innige Beziehung. Bei der Wiedergabe
der im letzten Lebensjahr entstandenen "Drei Klavierstücke op.
posthum D 946" war jetzt ebenfalls unschwer zu hören, wie sich
Lahusens Farbnuancen des Klangs noch weiter differenziert und an unmittelbarer
Mitteilungskraft gewonnen haben. So standen die Stücke auf der kompositorischen
Höhe der Impromptus der Spätzeit, erreichten einen Reifeprozess, der
über dem Gesang vorgeblichen Glücks auch die menschliche Note erkennen
lässt. Nikolaus Lahusen blieb diese Doppelbödigkeit nicht verborgen,
was freilich nicht allein an den kräftig ausgespielten Kontrasten lag,
sondern mehr am mitgefühlten "Seelen-Roman" eines dem Tode
nahen, ebenso verzweifelten wie sehnsüchtig traumverlorenen Menschen,
dessen Äußerungen der Interpret zu bedrängender Intensität steigerte.
Lahusen ist ja sehr angetan von Franz Liszts Transkriptionen der Schubert-
Lieder. Man muss ihm, verliebt in die Originale, nicht unbedingt zustimmen,
aber ein virtuos gestaltender Pianist wie er kann daraus schon Funken
schlagen, ohne Schuberts allerdings auch grimmige, ausweglose, endgültige
Intimität zu gefährden. So mangelt es dem "Sei mir gegrüßt"
nicht an innigem Jubel, der reizenden Barkarole "Auf dem Wasser
zu singen" nicht an der Mischung aus Fröhlichkeit und Untergangsstimmung
und dem "Erlkönig" gewiss nicht an Magie und bravourösem Oktaven-Vibrato.
Aber am schönsten war doch "Der Müller und der Bach", ein
herzergreifendes Bekenntnis, das noch in der Aufhellung der Gedanken
die Trauer mitschwingen ließ.
Lahusens Wiedergabe der "Bilder einer Ausstellung", die ja
im Original mehr Charakteristik und Pointen aufweisen als in Ravels
Orchesterfassung, zeichnet sich durch erfrischende Klarheit aus. Auffassungsstaub
und Sentimentalitäts-Routine waren total weggewischt, denn er entdeckte
in den tönend entfalteten Zeichnungen stets auch die Menschlichkeit.
Deswegen machten etwa der grimassierende "Gnom" der Dialog
der total verschiedenen Juden, das Gekreisch um das Fiebrige der Besucher
des Marktplatzes zu Limoges oder die neckischen "Tuilerien-Kinder
besondere Freude, zumal die schnellen, leichtfüßigen Stücke völlig durchsichtig
angelegt waren. Dagegen standen die Poesie des legendenumwobenen "Alten
Schlosses", das bildhafte Ächzen des Ochsenkarrens, das wilde Treiben
der Baba-Jaga und natürlich des Pathos des "Großen Tors".
Die jedes Bild einfassende Buntheit des Ausdruckscharakters prägten
eine mitreißende Darstellung, der stürmischer Jubel und Standing
Ovations dankten.
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